7. September 1980 in Sussex / England: Eine bunt zusammen gewürfelte Schar von Personen in zum Teil abenteuerlicher Bekleidung treffen sich hinter einem Pub mit Namen“ Red Lion“ in der Ortschaft Magham Down. Sie sind mit den unterschiedlichsten Luftdruckgewehren ausgerüstet und zusammen gekommen um einen Wettkampf auszutragen – einen Wettkampf, dessen Regeln sie bei vielen Sitzungen an der Theke des Red Lion und unter beträchtlichem Einsatz von Ale, erarbeitet hatten.
Dieses Ereignis gilt als die Geburt der Schiesssport Disziplin
FIELD TARGET
In England war und ist das Bejagen von Kleintieren mit Luftdruckwaffen – dort als Schädlinge bezeichnet – weit verbreitet. Gemeint sind damit Krähen, Elstern, Eichhörnchen, Kaninchen und Ratten, und heute sind Silhouetten dieser Tiere, aus Stahlblech gelasert, die Ziele. Field Target ist also - auf den Punkt gebracht - eine Jagdsimulation.
Aufgrund der waffenrechtlichen Situation in Großbritannien verbreitete sich diese Sportart explosionsartig. Mitte der 80er Jahre schwappte die Begeisterung auf die USA über und 1987 wurde die AAFTA, die American Airgun Field Target Association gegründet – die weltweite Verbreitung war damit nicht mehr zu stoppen. 1998 wurde die World Field Target Association, die WFTA, gegründet und 2004 wurde Österreich in diesen Verband aufgenommen. Heute besteht die WFFTA aus 28 Mitgliedsländern.
Bewerbe werden in der Form ausgetragen, dass in unterschiedlichsten Geländestrukturen „ Lanes“ angelegt werden, die mit zumeist zwei Zielen (Targets) bestückt sind. Die Ziele sind in Entfernungen zwischen 9 Meter und 50 Meter aufgestellt – das wesentliche dabei, die Distanzen sind den Wettkampfteilnehmern nicht bekannt. Je nach Geländegegebenheit können die Tiersilhouetten hoch auf Bäumen oder tief unten in einem Bachbett, zwischen Büschen versteckt in der Ebene oder auch in Felshöhlen untergebracht sein. Die Schützen werden vor dem Start in Gruppen von 3 – 5 Personen, den Squads, aufgeteilt und bewegen sich nach einem vorgegebenen System von einer Lane zur anderen. Jeder Teilnehmer hat, um einen Abschnitt zu absolvieren, eine Minute Vorbereitungszeit und für die Schussabgabe pro Ziel eine weitere Minute zur Verfügung. Auf jedes Target darf ein Schuss abgegeben werden. Geschossen wird meist in einer frei wählbaren Position – vorwiegend sitzend - es gibt aber auch Lanes mit vorgegebener Schießhaltung. Hat man beim Urwettkampf in Sussex 1980 auf Papiersilhouetten geschossen, so werden heute aufwendig konstruierte Metallziele verwendet. Die Figuren entsprechen in der Regel der Originalgröße der Tiere und haben eine definierte Trefferzone: Es gilt ein kreisrund ausgeschnittenes Loch zu treffen um das Ziel zu Fall zu bringen. Fliegt das Geschoß durch diese Hitzone, trifft es auf einen Art Metalllöffel, der mit Hilfe eines Gestänges bewirkt, das letztendlich das Ziel umfällt. Jeder Treffer auf eine andere Stelle der Silhouette ist wirkungslos. Die Durchmesser der Hitzonen betragen 15mm, 25mm und 40mm je nach Entfernung und Anschlagsart.
Jedes Ziel verfügt über einen Aufstellmechanismus und einer Schnur die zum Abschussplatz führt. So ist es möglich, eine getroffene und umgekippte Silhouette von der Schießposition aus wieder aufzurichten. Überwiegend wird in zwei Kategorien geschossen: Pressluftgewehre und Federdruckgewehre. In beiden Klassen ist die Energieabgabe mit 16,3 Joule begrenzt. Als die Formel 1 im Field Target gilt die Pressluftklasse. Die Gewehre für diese Kategorie wurden bis in die späten 90er Jahre fast ausschließlich in England hergestellt. Firmennamen wie Airarms, Theoben, Daystate, BSA, Webley um nur einige zu nennen, dominierten die Ergebnislisten. Mit Beginn 2000 begannen sich auch die Sportwaffenfirmen in Deutschland und Österreich für dieses neue Sportsegment zu interessieren. Feinwerkbau brachte eine Version und ebenso Walther. Steyr Sportwaffen war und ist mit seinem FT Gewehr am erfolgreichsten – nicht zuletzt deshalb, weil fast die halbe Belegschaft diesen Sport aktiv betreibt und permanent Verbesserungen aufgrund der eigener Erfahrungen in das FT Modell einfließen lassen. Ein Drittel der FT Gewehre die 2010 bei der WM in Ungarn eingesetzt waren stammten aus Ernsthofen. Die verwendeten Waffen sind mit hoch vergrößernden Zielfernrohren, zumeist variabel bis 50x, ausgestattet die einen seitlichen Turm zum Ausgleich der Parallaxe und zur Scharfeinstellung besitzen. Ein großes Rad mit Distanzmarken bedient diese Vorrichtung und ermöglicht eine Entfernungsschätzung.
Der Ablauf, nach der Ankunft bei einer Lane, sieht in etwa so aus: Die Squad kommt nach einem kurzen oder auch längeren Fußmarsch an die nächste Lane. Wer als erster zum Schießen kommt ist bereits bestimmt. Die Aufgabe wird grob eingeschätzt: Wo befinden sich die beiden Ziele – wie weit sind sie ungefähr entfernt – wie sind die Sichtverhältnisse – geht es bergauf, geradeaus oder bergab – wie sind die Windverhältnisse – was gibt es zusätzlich zu beachten. Der Schütze begibt sich an den Abschussplatz – die Uhr wird gestartet, die Vorbereitungsminute hat begonnen. Eine der Geländeform entsprechende Schießposition wird gesucht und mit den Schnüren zum Aufstellen der Ziele eine vorhandene Windströmung ermittelt – funktioniert in der Form, dass eine Schnur gespannt und dann fallen gelassen wird. Je nachdem wie die Schnur zu Boden sinkt, kann Windstärke und Richtung bestimmt werden. Das Gewehr wird geladen, die Munition griffbereit gehalten. Die Vorbereitungszeit ist abgelaufen. Der Schütze stellt sein ZF auf eine niedrige Vergrößerung und visiert das erste Ziel an – dreht auf volle Vergrößerung und stellt mit dem Parallaxenrad das Ziel scharf. Die Entfernung kann jetzt abgelesen werden – das ZF wird auf Schießvergrößerung gedreht, in einer Tabelle die Hoch /Tief Einstellung abgelesen und am ZF Turm eingestellt. Soll der Schuss steil bergauf oder bergab gehen wird die Einstellung entsprechend korrigiert. Wurde bei der Vorbereitung Wind festgestellt, wird eine Links / Rechts Korrektur vorgenommen. Es erfolgt der erste Schuss. Gleiches Prozedere für Schuss 2. Dazwischen ein kurzer Blick auf die Uhr und kurz vor der Schussabgabe auf die Libelle – im unebenen Gelände und bedingt durch das hohe Zielfernrohr ist das Verkanten der Waffe ein Thema. Klingt aufwändig und kompliziert und ist es auch.
Um bei internationalen Bewerben mithalten zu können, sind, neben einer perfekten ablauftechnischen Vorbereitung und bestem Equipment, unendlich viel Erfahrung mit Wind und Wetterbedingungen notwendig. Und ein wenig schießen sollte man auch können!
Die Wettkämpfe finden bei Regen und Schnee, Kälte und Hitze, Wind und Hagel mit oder ohne Gelsen statt – lediglich bei Nebel, wenn die Ziele nicht zu sehen sind, steht der Betrieb. So wollten es die Pubbesucher aus Sussex – und so ist auch geblieben!
E. Zwiauer23.02.2011
Fotos:
- Freier Anschlag – im Hintergrund die beiden Ziele, 45 und 48m entfernt
- Steyr LG 110 FT in Custom Schäftung
- Vor dem Start – Briefing und Squadeinteilung
- Anschlag Stehend
- Freier Anschlag
- Justierung des ZF’s entsprechend der gemessenen Entfernung
- 18 Jahre und Bronzemedaille bei der WM 2010
- Aufgerüstetes Walther FT Gewehr
- FT Ziel
- Mechanismus des Zieles, stehende Position
- Mechanismus in liegender Position
- LG 100 FT mit Nikko Sterling ZF 10-50x56
- Ganz wichtig: Munitionstests und ZF Einstellungen